Kolumne August 2022

Der Adler
„Gott geht mit uns um, wie ein Adler, der seine Jungen fliegen lehrt. Er wirft sie aus dem Nest, begleitet ihren Flug, und wenn sie fallen, ist er da , breitet seine Schwingen unter ihnen aus und fängt sie auf“ 5. Mose, 32.11
Was für ein wunderbares, tröstliches, Mut machendes Bild, das Pfarrer Johannes de Fallois für die Konfirmanden ausgesucht hatte! Fliegen lernen, flügge werden, die Welt erobern! In der Gewissheit, aufgefangen zu werden, wenn man fällt.
Der Adler, der König der Lüfte , der Majestätische!
Was aber, wenn er nicht mehr fliegen kann?
Vor einigen Jahren sah ich in einem Vogelpark an der der Ostsee in einer großen Voliere einen Seeadler, der sich an dem Rotorblatt eines Windrades derart verletzt hatte, dass er nie wieder fliegen wird! „Es ist besser, wir schläfern ihn ein“, sagten die Tierärzte! Der Betreiber des Vogelparks ist ein zäher Mensch, er ging das Wagnis ein und nahm ihn auf!
Da saß er, flügellahm, einsam, hilflos---majestätisch!
Auf die Hilfe des Menschen angewiesen.
Und was, wenn auch Gott flügellahm ist? So kommt er mir manchmal vor:
flügellahm, einsam, ratlos— dennoch allmächtig?
In der Genesis steht: „ Und Gott sah, dass es gut war“!
Gut war! Ist es das noch?
Überall auf der Erde sind Brandherde, tatsächliche und im übertragenen Sinne, Geldgierige, hirnlose Despoten zerstören ohne Rücksicht auf Verluste, unnötige Kriege werden aus Machtgier begonnen, Menschen und Tiere ertrinken einerseits in zu viel Wasser und verhungern an anderer Stelle wegen anhaltender Dürre .Jeder von uns trägt in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass diese Erde sich gravierend verändert!
Wir sehen wunderschöne Bilder von unserem blauen Planeten, aufgenommen von der ISS, wir sehen traumhafte Fotos des neuen Weltraumteleskopes James Webb, das immer weiter in die Vergangenheit hineinschauen kann.
----- Gott wird es nicht abbilden können!
Heißt die Abkehr von den Kirchen auch zwangsläufig Abkehr von Gott?
Manchmal müssen wir Menschen Gott wohl unter die Arme greifen, nicht allmächtig, aber im Kleinen, denn in jedem von uns wohnt Gott, er ist in uns, im Glauben!
Meinem Adler geht es gut. Ich habe damals die Futterpatenschaft für ihn übernommen und besuche ihn jedes Jahr. Als ich ihn zuletzt sah, war er nicht mehr alleine. Ein weiterer Adler, den das gleiche Schicksal ereil hatte, saß neben ihm. Sie scheinen miteinander auszukommen!
Mögen wir unseren Glauben nicht verlieren!
Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Mitglied des KV Starnberg