KZ Auschwitz-Birkenau. Das Symbol für den Holocaust schlechthin. Mit knapp 1.000 Delegierten der 13. Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds stehe ich im September dieses Jahres vor dem bekannten Tor der Gedenkstätte. Arbeit macht frei. Blanker Hohn.
Der bevorstehende Besuch treibt mich seit Wochen um. Professionell gehst du das an, hab’ ich mir vorgenommen. Man kennt das ja inzwischen. Die Zahlen. Geschichten. Bilder. Dachau. Klar wird das emotional. Aber mit etwas professionellem Abstand wird es gehen. Ging es auch. Bis zu den roten Schuhen. Kinderschuhe. Rot. Etwas abgetragen von langen Wegen. Ein wenig abseits des unübersehbar großen Berges an aufgehäuftem Schuhwerk. Der Zusammengetriebenen. Der Gequälten. Der Ermordeten. Da stehen sie. Die roten Schuhe. Klein. Unschuldig. Kein Hopsen. Kein Kinderlächeln. Nie mehr. Professionell ist vorbei. Mit diesem Bild. Schlagartig. Wenigstens bin ich nicht allein mit dem Schluchzer, der meinen Kehlkopf würgt. Der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Das gilt nicht jenen Schuhen hinter der Scheibe. Weiß Gott nicht. Das gilt meinen roten Schuhen. Und denen meiner Kinder? Was für Schuld. Was für unermessliche Schuld. Herr, vergib.
Draußen. Dämmerung über den Ruinen des Krematoriums. … dann steigt ihr als Rauch in die Luft. Kleine Gruppen. Gelungene Regie. Sie kanalisiert Emotionen wieder professionell in klare, kleine Gesten. Ein gemeinsames Kyrie, eleison. Herr, erbarme dich. Das Grauen steckt dennoch in der Seele. Schwarze Milch der Frühe. Wird noch lange darin stecken. … der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Hält die Wunde offen. … dein goldenes Haar Margarete / dein aschenes Haar Sulamith. Im kalten Abendhauch geht der Atem freier. Reicht wieder für Paul Celans Todesfuge. Seinerzeit vorgelesen den Schlächtern am Beginn der Nürnberger Prozesse. Heute digital hergezaubert. Anachronistisch an diesem Ort. Das matt schimmernde Display. Die Verse leise vor mich hin gelesen beim einsamen Gang. Die Bahngleise entlang. Zurück zum Ausgang. Wir dürfen wieder durchs Tor.
Gespräche am Abend. Delegierte aus knapp 100 Ländern haben den Tag gemeinsam mit uns erlebt. Viele beeindruckt von der Professionalität der Ausstellung. Da ist sie wieder. Die Professionalität. In Auschwitz-Birkenau. Zivilisationsbruch? Menschheitsverbrechen? Ja, sicher. Aber wir haben auch Holodomor und Gulag. Armenien. Kambodscha. Ruanda. Die Shoah ist eure deutsche Bürde. Ja, aber. Will man sagen. Kommt ins Gespräch. Über Unsagbares. Wer Singularität behauptet, darf den Vergleich nicht scheuen. Am Ende bleibt das Singuläre. Für mich. Das in Auschwitz-Birkenau seinen schwarzen Kristallisationspunkt fand. Und wieder mahnt.
Nach 7., nach 8. Oktober 2023 ist es wieder lauter geworden als zuvor. Das Gerücht über die Juden. Der Antisemitismus. Auf unseren Straßen. In unseren Parlamenten. Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen. Uns Delegierten ruft das der greise Marian Turski zu. Am Tag nach dem Gedenkstättenbesuch wieder in Krakau. Ein Überlebender. Einer, der es erfahren hat. Am eigenen Leib. Das Grauen. Es begann mit geringen Formen der Judenverfolgung, erinnert er. Es passierte; das heißt, es kann überall erneut passieren. Seine Worte nehme ich mit. Aus Polen nach Hause. Nach Deutschland. Heute. Hinein in das, was auf unseren Straßen passiert. In unseren Parlamenten. Zurück in das dröhnende Schweigen derer, die wieder nur zusehen.
Ihr Dr. Philipp Hildmann
Kolumne November 2023
„Sich dem Leben in die Arme werfen“
Gerade jetzt, wenn im November die Tage immer kürzer und lichtärmer werden, Tristesse und Dunkelheit eher unsere Begleiter sind, als Licht, gerade jetzt wird es wichtig, lebendig zu sein, sich dem Leben zu stellen, der Dunkelheit entgegen zu wirken!
Das Leben feiern!
Den Tod als unausweichlich zu akzeptieren, auch, wenn wir dies nicht wahr haben wollen, die Trauer als Teil unseres Lebens zu erkennen und anzunehmen, die Erinnerungen zu bewahren und sich daran zu erfreuen, nach vorne schauen nach einer Zeit, die für Trauer und Abschied wichtig ist.
Das folgende Gedicht von Luzia Sutter Rehmann spricht mir aus dem Herzen; ich möchte es Ihnen ans Herz legen!
Wir sind auf der Suche Nach der Kraft Die uns aus den Häusern, aus den zu engen Schuhen, und aus den Gräbern treibt!
Aufstehen und Mich dem Leben in die Arme werfen- Nicht erst am jüngsten Tag, nicht erst, wenn es nichts mehr kostet und niemandem mehr wehtut.
Sich ausstrecken nach allem, was noch aussteht, und nicht nur nach dem Zugebilligten. Uns erwartet das Leben! Wann, wenn nicht jetzt?
Bleiben sie behütet, Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Mitglied des KV
Kolumne Oktober 2023
„Vom Leben und vom Sterben“
Keine Angst, ich bin kein „Grufti“, aber trotzdem gehe ich gerne auf Friedhöfe – gerade jetzt im Herbst, wenn bunte Blätter auf den Gräbern liegen, aber auch dann, wenn es draußen neblig, grau und ungemütlich wird. Warum? Weil Friedhöfe Geschichten erzählen: Geschichten vom Leben und vom Sterben, Geschichten von heute und von früher, von Familien und von Menschen, die alleine geblieben sind, von Berufen und Ehrentiteln, von Jugend und Alter. Friedhöfe laden ein zu Entdeckungsreisen durch die Zeit. Wer auf Grabsteinen zu lesen versteht, wird viel Tragisches finden, aber auch Zeugnisse von Glück und Erfüllung, von Glaube und Hoffnung.
Da ist die Grabstätte eines Ehepaares, das gemeinsam alt geworden ist. Da ist das Kindergrab oder das Grab eines jungen Menschen, der sein Leben bei einem Unfall verloren hat. Da ist die gepflegte Familiengruft und das verwahrlose Einzelgrab in der hintersten Reihe. Da sind das Urnenfeld und all die verschiedenen Grabsteine und Kreuze. Immer sagt die letzte Ruhestätte auch etwas darüber aus, wie das Leben des Menschen war, der dort begraben liegt.
Friedhöfe erzählen Geschichten all denen, die sich darauf einlassen. Sie sind Orte der Ruhe, sie lassen innehalten in der Hektik des Alltags. Friedhöfe sind grüne Oasen in den Betonwüsten der Städte. Friedhöfe sind übrigens auch ein toller Lebensraum für Vögel und viele andere Tiere. Und sie sind ein lebendiges „Memento mori“: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen“, sagt der Psalmbeter. Ja, ein Gang über den Friedhof kann auch klug machen.
Vielleicht wär das ja auch mal was für Sie, so ein Spaziergang über den Friedhof.
Ihr Pfarrer Johannes de Fallois
Kolumne September 2023
Zwischen heilsgeschichtlich schweren Lasten und Stallmeuterei
Spätsommerliche Eseleien
Titel: "Bileam und die Eselin", Rembrandt, 1626
„Was hat wohl der Esel gedacht“, sang einst der christliche Liedermacher Manfred Siebald, „in der Heiligen Nacht, als er plötzlich die Fremden sah im Stall …“. Das ist nun nicht sehr spätsommerlich, reizt den urlaubsentspannten Kolumnisten aber dazu, sich die Esel in der Bibel etwas näher anzusehen. Sie sind die heimlichen Stars der biblischen Menschheits- und Heilsgeschichte. Rund neunzig Mal wird das Grautier mit vier Buchstaben in unserer Lutherübersetzung erwähnt.
Ihren ersten Auftritt haben die Esel, als Abraham aufgrund einer Hungersnot nach Ägypten reist und dem Pharao in einem Akt der Eselei seine Frau als seine Schwester vorstellt. Der lässt diese Schönheit in seinen Palast entführen und entschädigt ihren vermeintlichen Bruder, indem er ihm Esel schenkt. Hätte Gott nicht ein wachsames Auge auf die geraubte Sarah gehabt, wäre die Geschichte nicht gut ausgegangen.
Damit war der Auftakt gemacht, und wir finden Esel fortan in zahlreichen Rollen quer durch das Alte Testament. Wer trug das Feuerholz für die Beinahe-Opferung des Isaak bis kurz vor den Ort des Geschehens? Wer trug die ägyptischen Getreidesäcke in der Geschichte von Josef und seinen Brüdern? Wer schaffte es neben Weib, Knecht, Magd, Rind bis in das 10. Gebot hinein? Wussten Sie, dass Mose von den Midianitern neben 32.000 Jungfrauen auch 61.000 Esel erbeutete? Wer erinnert sich noch, dass Saul die ausgebüxten Eselinnen seines Vaters suchen ging und sich am Ende als gesalbter König wiederfand? Und natürlich der arme Esel des Sehers Bileam, der (anders als sein Besitzer) den Engel des Herrn sehen kann, der sich ihnen in den Weg stellt, und aufgrund seiner Weigerung, deshalb weiterzugehen, von diesem nicht-sehenden-Seher mörderisch Prügel bezieht?
Wenn wir schließlich beim Propheten Sacharja lesen, dass sich die Tochter Zion freuen soll, weil ihr König zu ihr kommt, ein Gerechter und ein Helfer, der auf einem Esel reitet, dann sind wir eigentlich schon im Neuen Testament angekommen. Denn dort erfüllt sich mit Jesu Einzug in Jerusalem auf selbigem Reittier ja genau diese Prophezeiung. Was für eine Ehre und Bürde, den Heiland der Welt während des Hosianna! und doch schon kurz vor dem Kreuziget ihn! durch die Straßen Jerusalems zu tragen.
In Manfred Siebalds Lied regt sich der Esel maßlos auf und denkt an „Stallmeuterei“, dass ihn da jemand vom Schlaf abhält und ihm sogar seine Futterkrippe besetzt hält. Freilich wusste er ja nicht, wer es war, der dort lag. „Doch wir“, heißt es weiter, „wissen alle Bescheid / und benehmen uns heut noch genau wie der Esel damals schon: / Denn Jesus darf uns nicht vom Schlaf abhalten, / nicht unsern liebsten Besitz verwalten! / Doch wer ihm die Türen aufmacht, / der hat jeden Tag Heilige Nacht!“
So wird es uns zugesungen. Vielleicht hören wir diese Botschaft auch in spätsommerlichen Sommernächten. An den fleißigen Eseln in der biblischen Menschheits- und Heilsgeschichte sollte es zumindest nicht scheitern!
Ihr Dr. Philipp Hildmann
Kolumne August 2023
Auf der Suche nach einem irischen Segensspruch für eine Freundin, die aus ihrem Pfarrdienst in den Ruhestand verabschiedet wird, bin ich auf ein altirisches Kreuzgebet gestoßen, das mich sehr berührt hat.
In dieser Augustkolumne möchte ich Sie dazu animieren, diese Gebet auf sich wirken zu lassen, darüber nachzudenken, zu meditieren, es einfach nur zu lesen oder es zu beten.
Christi Kreuz auf dieser Stirn Christi Kreuz auf meinen Ohren Christi Kreuz auf meinen Augen Christi Kreuz auf meiner Nase Christi Kreuz auf meinem Mund Christi Kreuz auf dieser Brust Christi Kreuz auf meinen Armen Christi Kreuz auf meinen Beinen Christi Kreuz auf meinem Leib Christi Kreuz auf meinem Herzen
Vom Scheitel herab bis zur Sohle vertraue ich alles In jeder Gefahr dem Schutz deines Kreuzes an, Christus.
Christi Kreuz sei vor mir, mich zu führen Christi Kreuz sei hinter mir, mich zu behüten, Christi Kreuz hilf in den Höhen und auf den Höhen. Christi Kreuz komm mir von Osten entgegen, Christi Kreuz, mach mich vom Westen her stark, Christi Kreuz, geleite mich allezeit im Norden und Süden. Christi Kreuz, hoch am Himmel, Christi Kreuz , tief in der Erde,
schütz Leib und Seele vor Schaden und Unheil.
Chrsti Kreuz sei über mir, wenn ich sitze, Christi Kreuz sei über mir, wenn ich liege, Christi Kreuz sei meine ganze Stärke,
bis wir zum Altherrn des Himmels kommen.
Bleiben sie behütet, Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Mitglied des KV
Kolumne Juli 2023
Moderne Kommunikation
Wundern Sie Sich auch, wie wenig Menschen noch miteinander sprechen und wie häufig z.B. im Restaurant das Handy am Tisch benutzt wird?
Mir geht es so. Und ich finde es traurig.
Nach einer Radltour mache ich Rast in einem Cafe und genieße meinen Kaffee. Am Nebentisch sitzen 4 junge Frauen, vor sich jeweils eine Latte Macciato und das Handy stehend. Treffen mit Freundinnen, sollte man meinen. Allerdings, während der ganzen Stunde meines Aufenthaltes lachen sie, aber nicht miteinander, sondern über irgendwelche lustigen Spots auf dem Bildschirm, kein einziges Wort fliegt zwischen den Damen hin oder her. Ob sie sich jetzt vielleicht auch gegenseitig Whatts-App Nachrichten schicken, frage ich mich?
Merkwürdiges Treffen mit Freundinnen!!
Eine andere Situation. Ich sitze im Zug im vollbesetzten Großraumwagen, neben mir der letzte freie Platz. Ich lese in einem Buch. Am nächsten Bahnhof steigt ein Mann zu, setzt sich auf den Platz neben mir und holt aus seiner Tasche eine schöne Kladde und einen Füllfederhalter. Wir schauen uns an und lachen herzhaft! Was sind wir Beide doch für Dinosaurier in diesem Waggon voller Digitaler! Alle anderen Passagiere dieses Wagens tragen businesslike, distanziert, geschäftig schwarze oder dunkelblaue Anzüge/Kostüme und haben entweder einen Laptop, ein IPad oder Phone vor sich; keine Unterhaltungen untereinander, viele Telefongespräche, die sicher sehr wichtig sind, dafür lediglich einseitig hörbar (Gottseidank nur!).
Während der kommenden zwei Stunden Zugfahrt unterhalten mein Nachbar und ich uns angeregt über Gott und die Welt, im wahrsten und übertragenen Sinne des Wortes. Inspirierend, vielfältig, tiefgründig, bereichernd!
Eine kurze Begegnung auf unserem Lebensweg, die nicht zwangsläufig von irgendeiner längeren Dauer sein muss, aber nachhaltig Eindruck hinterlässt. Das macht Kommunikation aus!
Ist die fehlende zwischenmenschliche Kommunikation verantwortlich für Missverständnisse, Unverständnis, das, was in der Welt so schief läuft?
Gespräche sind dreidimensional, wir sehen das Gegenüber, seine Reaktionen unmittelbar. Im Gespräch lassen sich Diskrepanzen direkter klären, als wenn wohlformulierte Nachrichten hin und her fliegen.
Sprechen wir miteinander—über Gott und die Welt!
Damit wir zusammen kommen – mit Gott und der Welt!
Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Mitglied des KV
Kolumne Juni 2023
„getauft statt getaucht“
Es ist Juni – auch unsere Kirche ist jetzt nicht mehr so ausgekühlt. Wohl auch deshalb hat jetzt wieder die Taufsaison begonnen. Nicht, dass im Herbst und Winter keine Kinder geboren worden wären, oder dass eine Kindstaufe neben der Weihnachtskrippe unterm Christbaum nicht seinen ganz eigenen Charme hätte, aber es feiert sich halt leichter in der warmen Jahreszeit. Also haben Eltern in den letzten Wochen verstärkt bei uns Pfarrern nachgefragt, unsere Homepage zum Thema befragt und sich dann konkret mit dem Wunsch nach Taufe ihres Kindes ans Gemeindebüro gewandt. Mit uns Pfarren wurde ein Taufgespräch geführt und dann ist es endlich so weit. Die Wochenenden bis in den Sommer sind ziemlich voll, an manchen Samstagen gibt’s nur noch Termine ab 16 Uhr. Wie schön, auch weil jetzt noch manche Kinder getauft werden, bei denen Eltern und Familien wegen Corona lange noch mit Taufe und Fest gezögert haben. Eine Tendenz übrigens ist, dass nicht mehr nur Säuglinge, sondern auch ältere Kinder getauft werden. Und das wiederum könnte zur Folge haben, dass es bei deren Taufe zu ungeahnten Komplikationen kommt. Mir ist das vor einigen Jahren schon mal passiert „Nein, ich will nicht, ich will nicht getauCHT werden!“ beteuerte da eine Dreijährige aus tiefstem Herzen und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen das dezente Beträufeln mit Wasser. Und sie hat wirklich getAUCHT statt getauft gesagt. Was also tun? Ein schreiendes, strampelndes Kind zur Taufe zu zwingen, wäre keine gute Sache – das Geschenk der freien Gnade Gottes bekäme so einen merkwürdigen Beigeschmack. Also sind Einfühlungsvermögen und pädagogisches Geschick gefragt: Manch ein kleiner Mensch konnte so schon von der Ungefährlicheit des Vorgangs überzeugt werden, indem er vorher seine Hand in das angewärmte Taufwasser tauchen durfte. Andere geben sich zufrieden, wenn sie auch mit 5 Jahren noch auf Mamas oder Papas Arm (statt durch die Paten) über den Taufstein gehalten bzw. zu ihm geleitet werden.
Auch Jesus wurde als Erwachsener getauft, durch den jüdischer Bußprediger Johannes (Johannes der Täufer)
Und in den hartnäckigen Fällen, wenn die Taufe im Gottesdienst geplant war, musste das Ritual halt auf nach dem GD verschoben werden: Ohne die vielen Zuschauer in den Kirchenbänken war die Taufe für den widerspenstigen Knirps dann kein Problem mehr. Im Einzelfall hilft auch ein gutes Vorbild. – so auch schon erlebt vor einiger Zeit: Mutter und Sohn sollen gemeinsam getauft werden. Zuerst, so war es vorgesehen, der Vierjährige, der aber im entscheidenden Moment zurückzuckte. „Soll ich zuerst deine Mama taufen?“ habe ich dem Kleinen ins Ohr geflüstert. Der nickt, guckt mit großen Augen zu - und lässt die Taufhandlung anschließend ohne Gegenwehr über sich ergehen. Die beste Maßnahme gegen solche Zwischenfälle ist und bleibt übrigens – finde ich - immer noch: gute Vorbereitung der kleinen Täuflinge. Aber daran hapert´s zunehmend – auch weil die Eltern selbst nur noch wenig Ahnung haben. Das Kind soll sich mal selbst entscheiden – heißt es dann in klassischer Weise. Und wenn es dann getauft werden will, muss Pfarrer oder Pfarrerin her und dem Sprössling das erklären. Mache ich wirklich gerne, alles gar kein Problem. Nur ist auch dies eine Tendenz, die wir in Schulen und Kindergärten immer mehr beobachten: Eltern geben ihre Verantwortung gerne ab, an Lehrerinnen und Lehrer, an Erzieherinnen und Erzieher, an Pfarrerinnen und Pfarrer und die Kirchengemeinde, letzteres meint dann vor allem den Kirchenvorstand. Und die sind dann natürlich auch immer gleich alle schuld, wenn´s schief geht. Und dann ist das Geschreie groß. Selber Verantwortung abgeben, auch, weil man selbst nur noch wenig Ahnung hat oder nicht mehr den Mut, ZU etwas zu stehen oder sich GEGEN etwas zu entscheiden. Diese Lauheit finde ich „gruselig“ - nicht nur in der religiösen Erziehung. Da hat die Säuglingstaufe doch was Entscheidendes für sich: Geschenk, reines Geschenk, ohne alles eigene Zutun, ohne alle Bedingung, ohne alle Verantwortung: allein aufgrund der Gnade und Liebe unseres Gottes. ER handelt und ER verspricht, dass es gelingt, dass Segen drauf liegt - wegen oder - trotz - des Zutuns von Eltern, Paten. Pfarrers und Gemeinde.
Johannes de Fallois, Pfarrer
Kolumne Mai 2023
„Al Cielo“ – „Zum Himmel“
Das wohl eindrucksvollste, wenn man in der Osterzeit nach Spanien kommt sind die Prozessionen.
Besonders die Prozessionen in Sevilla sind wirklich Spektakulär! Ihr Schwerpunkt liegt freilich in der Karwoche. Aber, die Einwohner von Sevilla bereiten sich das ganze Jahr über auf diese Prozessionen vor. So sind die Vorbereitungen durchaus aufwändig und akribisch. Sie werden verantwortet von den Bruderschaften des jeweiligen Viertels und haben eine lange Geschichte, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Bruderschaften entwickelt und sind zu einem wichtigen Teil der kulturellen Identität von einzelnen Vierteln, ja von Sevilla geworden. Es gibt viele Symbole und Rituale, die mit den Prozessionen verbunden sind, aber eins steht immer im Vordergrund: die Ehrung, ja die Verehrung des biblischen Geschehens.
Mönche während einer Oster-Prozession in Sevilla (Spanien)
Die Prozessionen beginnen oft nachts und führen durch die engen Gassen der Stadt. Riesige, schwere und kunstvoll geformte Figuren, die biblische Szenen darstellen, werden auf den Schultern der Teilnehmer getragen. Die Statuen werden meist von Priestern oder Mönchen begleitet, die Kerzen tragen und beten. Musik begleitet die Prozessionen und schafft einen Rhythmus für die Teilnehmer. Die dabei verwendete Marschmusik ist einzigartig und bleibt mir bis heute im Ohr.
Schwere und kunstvoll geformte Figuren werden zu den Oster-Prozession in Sevilla (Spanien) präsentiert.
Man staunt – wenn sich die Prozession vorbei bewegt: es sind beeindruckende Glaubens- und Hingabebezeugungen. Es ist eine Veranstaltung, die die Menschen von Sevilla jedes Jahr zusammenbringt und das Gemeinschaftsgefühl und das Zusammengehörigkeitsgefühl, ja sevillanische Identität, verstärkt. Dabei sind die Prozessionen auch eine Gelegenheit zu beten, sich mit anderen Gläubigen zu vernetzen und Gott anzubeten – bis heute prägt der daraus erwachsene Frömmigkeitsstiel die Stadt tief!
Die Hommage an den Himmel „al cielo“ ist der Höhepunkt der Prozessionen. Der Ruf ertönt immer wenn die Tonnen schweren Statuen vom Boden aufgehoben werden und bringen beides zum Ausdruck – die Bewegung der Statue in die Luft, aber auch die Erinnerung an den Zielort der Statuen – die ihnen gewidmete Kirche. Dort angelangt kommt die Stunde des persönlichen Kontakts. Lange Schlangen bilden sich und ziehen an der Statue vorbei um sie zu berühren oder sie im Anschluss sitzend anzubeten. Es ist ein besonderer Moment, der die Teilnehmer in Ehrfurcht versetzt und sie daran erinnert, dass sie Teil von etwas Größerem sind. Prozessionen in Sevilla sind eine Gelegenheit, den Glauben zu feiern, das Leben zu schätzen und Gott zu ehren.
Das aber gilt nicht nur für den Moment – es prägt eine Grundhaltung über die Karwoche hinaus!
In einer Welt, die oft von Hast und Chaos geprägt ist, sind die Prozessionen von Sevilla ein willkommener Moment der Besinnung der Veränderung, des Innehaltens und Zusammenkommens! Mich haben Sie immer daran erinnert: Das Leben ist mehr als wir ihm zugestehen. Die Menschen zu beobachten – die plötzlich so einen Rhythmuswechsel in ihrem leben vollziehen ist schlicht beeindruckend! Gelebte Frömmigkeit hat hier einen Platz im Leben von Stadt und Menschen. Die Hommage an den Himmel „al cielo“ ist für mich Ausdruck dieses besonderen Momentes geworden. In mir wird der Ruf lebendig bleiben!
Simon Döbrich, Pfarrer
Kolumne März 2023
Zu Besuch bei Jesus in Washington
Washington Hilton
Ein Philippino mit silbernen Totenkopfringen. Eine fröhliche NGO-Vertreterin aus Nigeria. Eine Parlamentarierin mit leuchtend grünem Kopfschmuck und ihr unscheinbarer Kollege aus dem Südsudan. Ein US-Amerikaner wie aus dem Cowboy-Bilderbuch. Und ein distinguiertes Ehepaar aus Albanien. Wenn ich an meinem Frühstückstisch beim jährlich stattfindenden Nationalen Gebetsfrühstück in Washington D.C. um mich blicke, dann müsste es wohl eher International Prayer Breakfast heißen.
Visitenkarte
Auf Einladung der beiden Kammern des amerikanischen Kongresses kommen hier seit 1953 Christinnen und Christen aus aller Welt zusammen, um gemeinsam mit dem jeweils amtierenden US-Präsidenten über die Lage der Welt nachzudenken und – gemeinsam zu beten. Das geschieht ganz offiziell auf der großen Bühne vor 1.600 Teilnehmenden aus über 60 Ländern. Das geschieht aber auch in den vielen Hintergrundgesprächen am Rande des Treffens in den Suiten des weitläufigen Hotels, das mit seinem riesigen Veranstaltungsraum im Souterrain einst extra für dieses Gebetstreffen errichtet wurde.
Wandschmuck in einer kleinen Hilfsorganisation, die sich in einem Problemviertel um Kinder und Jugendliche kümmert
Man kann mit Recht nun viele Fragen stellen, was das Ganze soll, wie politisch motiviert das ist, ob die stark evangelikale Ausrichtung des Treffens unserem lutherischen Verständnis entspricht etc. Für einen Moment dürfen wir das alles aber beiseitelassen und auf das Wunder blicken, das hier alljährlich geschieht. Aus allen Ecken dieser Erde strömen zu diesem Treffen grundverschiedene Menschen zusammen, die doch eines verbindet: der Glaube an Jesus, den Christus. Und sie tun das, was er uns aufgetragen hat. Sie beten. Sie beten zusammen. Sie beten für diese fragile und geschundene Welt. Und sie lassen sich tragen von der Zusage desjenigen, der sie an diesen Ort zusammengeführt hat: „Ich bin bei euch, alle Tage bis an der Welt Ende.“
Mit unserer kleinen Delegation aus dem Deutschen Bundestag sitze ich in so einer Suite im zehnten Stock. Krawatten, Kekse, Cola. „Lasst uns nicht über Politik reden“, eröffnet unser Gastgeber, ein amerikanischer Geschäftsmann mit deutschen Wurzeln, das Gespräch. „Was hast Du mit Jesus erlebt in diesen Tagen? Welche Begegnungen hat er Dir geschenkt? Welchen Auftrag nimmst Du von hier mit?“ Und so legen wir zusammen. Was uns bewegt. Was uns klargeworden ist. Was wir über den Atlantik wieder nach Hause mitnehmen. In unsere Familien. In unseren Alltag. In die Politik. Und dann fordert er uns auf, das zu tun, wozu wir eigentlich hier sind: „Let’s pray together in Jesus name.“ Und wir tun es. Wir beten gemeinsam. In Jesu Namen.
Ihr Dr. Philipp Hildmann
Kolumne Februar 2023
Helfer in der Kritik:
Haben sie auch ein Vogelhäuschen im Garten, auf dem Balkon oder vor dem Fenster?
Ich habe gelesen: Mehr als 15 Millionen Euro geben die Bundesbürger alljährlich für die Winterfütterung der freilebenden Vögel aus. Das ist, wenn diese Zahlenangaben stimmen, nur ein Bruchteil des Wertes, der in der letzten Silvesternacht „verböllert“ wurde.
Doch auch die Vogelfreunde stehen in der Kritik. Manche Naturschützer werfen ihnen vor, so in den natürlichen Kreislauf einzugreifen, mehr Schaden als Nutzen anzurichten.
Ob das wirklich so ist, weiß ich nicht. Auch die Fachleute sind sich nicht einig, wenn auch beim bisherigen Winterverlauf einiges dafür spricht, dass leicht zu viel des Guten getan wird. Auf jeden Fall aber stehen Menschen guten Willens wieder einmal in der Kritik.
Wer sich für den Tierschutz einsetzt, muß sich oft anhören, er solle lieber was für Kinder tun, wer sich an Altkleidersammlungen beteiligt, setzt sich dem Vorwurf aus, sie helfe mit, Handelsstrukturen in der Dritten Welt zu zerstören. Ähnliche Kritik müssen sich Menschen gefallen lassen, die eine Patenschaft für ein Kind in einem der ärmsten Länder übernehmen.
Solche Kritik kann ganz schön weh tun. Besser wäre es, sich an den Satz zu erinnern, dass Gott einen fröhlichen Geber liebt (2. Korintherbrief 9,7).
Johannes de Fallois, Pfarrer
Kolumne Januar 2023
Der Stern
Wir Alle kennen sicher das Märchen vom Sterntaler der Gebrüder Grimm.
„ Es war einmal ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm……“
Der Ausgang der Geschichte ist uns wohl bekannt: das Mädchen gibt alles, was es hat an noch bedürftigere Menschen, so dass es am Ende völlig nackt und bloß da steht
und dann regnet es Sterntaler! Sterne, die vom Himmel fallen und sich in Münzen verwandeln.
Dieses Märchen ist die Allegorie für Barmherzigkeit und Großzügigkeit, für Zuversicht und Licht.
Mich hat „Sterntaler“ immer sehr demütig gemacht, aber auch zuversichtlich, dass aus tiefem Kummer und tiefer Not etwas Gutes erwachsen kann. Meine Großmutter hat es mir als Kind oft vorgelesen, und ich fühlte mich dabei sehr geborgen, denn am Ende war das Licht der Sterne. Manchmal, wenn die Nacht klar war, gingen wir ans Fenster und schauten in den sternklaren Himmel. „Die Sterne, sagte sie, weisen uns den Weg und geben uns die Hoffnung!“
So wie der Stern von Bethlehem den Weg weist zum Licht, zum neuen Leben, zu der Geburt Christi.
So wie dieses Kind in der Krippe, arm, nackt und bloß, das doch so viel zu geben hat!
Fühlen Sie die Leuchtkraft des Sternes und nehmen sie mit in das Neue Jahr! Lassen wir das Licht größer werden , geben wir es weiter an die, die im Dunkeln stehen, mögen wir barmherzig sein für die, die uns brauchen.
Kommen Sie gut in das Jahr 2023 und bleiben Sie gesund und behütet.
Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Mitglied des KV
Kontakte schnell zur Hand:
Seelsorgetelefon
außerhalb der Bürozeiten und am Wochenende: 0171 - 49 49 394
Ihre Ansprechpartnerin ist Frau Renate Reitzig Tel.: 08151 16722
Seestern e.V.
Ökumenische Nachbarschaftshilfe und Ambulante Krankenpflege Starnberg
Tel.: 08151 959611
Flohbasar des Frauenkreises
Ansprechpartnerin ist: Gisela Rose, Tel.: 08151 12319 Die Termine finden Sie im Gemeindebrief, der Tagespresse und hier auf unserer Homepage unter "Termine".