Kolumne Dezember 2022
Eine Steinigung an Weihnachten?
Quelle: Hans Memling - wikimedia Hier
Von glitzernden Geschenkpapieren fast verdeckt, festtagsgesättigt und die Stille Nacht noch im Ohr übersieht man ihn leicht, den Stefanitag am 26. Dezember. Seit dem 4. Jahrhundert schon ist er dem ersten Märtyrer der Christenheit gewidmet, Stephanus, der von einem aufgebrachten Mob gesteinigt wird, weil er Jesus als den Christus bezeugt. „An jenem Tag“, berichtet uns die Apostel-geschichte im 8. Kapitel, „entstand aber eine große Verfolgung“. .
Diese Verfolgung dauert bis heute an. Von uns meist unbemerkt. Und gerade deshalb ist es so wichtig, dass uns der Stefanitag daran erinnert, dass wir an Weihnachten nicht nur Christi Geburt feiern, sondern dass es von der Krippe an immer auch darum geht, am Glauben an diesen Christus festzuhalten, im Leben und im Sterben. Dass dieses Festhalten etwas kosten kann, führt uns die Kirchengeschichte seit Stephanus bis heute am Beispiel zahlloser Märtyrer vor Augen.
Aktuell erleben wir dies etwa im Schatten der Unruhen im Iran. Vom gewaltsamen Vorgehen der Regierung sind auch die Christen der Untergrundgemeinden betroffen. Sie werden bedroht und leben in ständiger Sorge, im Zuge der Gewaltmaßnahmen noch stiller inhaftiert und ermordet zu werden als zuvor. Die Situation dort ist kein Einzelfall. Sie reiht sich ein in eine Vielzahl von Ländern, in denen Christen aus ganz unterschiedlichen Gründen Bedrückung und Verfolgung erleiden – weil sie einer bestimmten Volksgemeinschaft angehören, weil Regierungen auf ihrem Rücken Identi-tätspolitik betreiben, weil Schuldige für soziale Missstände gesucht werden, weil eigene religiöse Überzeugungen durch ihren Glauben an Jesus Christus in Frage gestellt werden.
Quelle: Pixabay
„Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft … Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“, lesen wir im 1. Korintherbrief im 12. Kapitel.
Leiden wir mit, mit unseren Glaubensgeschwistern in Indien und Afghanistan, in Äthiopien und Nigeria, in China und an allzu vielen Orten, die hier noch aufgeführt werden müssten? Gott kennt sie. Gott sieht die Not. Gott hört die Schreie seiner Kinder. Auch wir sollten an sie denken, für sie beten. Am Stefanitag und in manch anderer stillen Nacht.
Ihr
Dr. Philipp Hildmann
Kolumne November 2022
Über die Freundschaft
„Meine Hoffnung und meine Freude,
meine Stärke, mein Licht,
Christus , meine Zuversicht.
Auf dich vertrau ich und fürcht‘ mich nicht“
Ein richtiges Mutmachlied, finde ich. Und es will mir nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Passiert Ihnen das auch? Dass Sie eine Melodie hören, die Sie den ganzen Tag begleitet? Die guttut und fröhlich macht.
Gerade bei diesem Lied geht es mir so, und es passt gut in unsere Zeit, in die Jahreszeit.
Der Oktober verabschiedet sich noch einmal mit untypischer Wärme und wunderbaren Farben, dann läutet der November die dunkle Jahreszeit ein.
Jetzt brauchen wir: Licht, Hoffnung und Freude---- Wärme, innere wie äußere und FREUNDE!
Wie wichtig Freundschaft ist, merkt man meistens erst, wenn man in Not ist. Und wenn dann Freunde selbstlos zur Seite stehen, einfach da sind, mit Rat und Tat helfen, zuhören, mitleiden, im wahrsten Sinne des Wortes, -- dann wird das Herz warm und hell.
Echte Freundschaften können ein Leben lang halten, selbst, wenn sich die Freunde nur selten sehen. Vor ihnen sind wir ganz wir, müssen uns nicht verbiegen oder verstecken, können unsere Macken zeigen und vor Allem auch Kritik üben und erhalten, ohne gleich in Panik zu geraten. Denn im Idealfall haben Freunde immer ein wohlwollendes, liebevolles Verhältnis miteinander, und es herrscht ein Geben und Nehmen. Wir pflegen sie, die guten Freunde!
So stimmt wohl auch der Spruch.
„Freunde sind wir Sterne, man sieht sie nicht immer, aber sie sind immer da!“
Gott ist unser Freund, wir sehen ihn vielleicht nicht immer, aber er ist immer da!
Nehmen wir seine Freundschaft doch an!
Darauf können wir vertrauen, täglich, in guten, wie in schlechten Zeiten!
Bleiben Sie auch in der dunklen Zeit immer behütet.
Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Mitglied des KV
Kolumne Oktober 2022
Nachbetrachtung
Im Oktober geht die Festspielzeit in Oberammergau zu Ende.
Hatten Sie auch die Gelegenheit, in diesem Jahr die Passionsfestspiele zu besuchen?
Um es vorweg zu nehmen: mich hat die Aufführung sehr beeindruckt und vor allem sehr berührt.
Sicher, es gibt auch andere Orte, an denen Christi Leiden dargestellt wird. Doch Oberammergau ist schon etwas Besonderes!
Man könnte meinen: Was für ein Spektakel, was für ein Aufwand, wie viele Akteure, 5 Stunden pro Aufführung, und ein ganzer Ort spielt mit!
Ja, die Inszenierung war überwältigend und die Kommentare vieler Besucher am Ende gingen genau in diese Richtung. Ein grandioses, langes Theaterstück mit inbrünstigen Darstellungen. Aber warum kommen die zum Applaus nicht noch einmal heraus?
Wenn da nicht diese besonderen Geschichten hinter stecken würden, die Leidensgeschichte Jesu und der Grund, aus dem die Festspiele überhaupt stattfinden.
Ist uns das eigentlich bewusst, welche tiefe Bedeutung die einzelnen Szenen auch jetzt haben?
Mich hat eine Sequenz besonders betroffen, vor allem, weil sie so brandaktuell ist: die erschreckend realistische Darstellung der Freude daran, einen Menschen zu quälen, zu verspotten! Das hier ist „nur“ ein Spiel, doch die weltweite Situation im Kleinen wie im Großen grausame Realität.
Es gab und gibt auf dieser Welt viele Menschen, die Folter und Tod ertragen um ihrer Überzeugung willen. Jesus aber ist unsere Hoffnung, er ist das Symbol der Auferstehung.
Im Schlussbild spiegeln Magdalena und der ausgezeichnete Chor genau diese Hoffnung wider.
Man spürt, es ist eben nicht nur ein grandios inszeniertes Theaterstück, die Darsteller haben wohl begriffen, worum es geht!
Und die Besucher? Vielleicht nicht Alle, aber doch Viele, man sieht es in ihren Gesichtern!
In mir wirkt die Aufführung noch lange nach.
In 10 Jahren wieder! Warum solange warten?
Ostern ist jeden Tag!
Bleiben Sie behütet.
Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Mitglied des KV
Kolumne September 2022
Der göttliche Daumenlutscher
Zu den wenigen Heiligen, denen auch von evangelischer Seite eine gewisse Verehrung entgegen gebracht wird, zählt Franz von Assisi.
Er war ein Asket, so wie vor ihm noch keiner gewesen war. Er redete mit den Tieren. Wo bittere Feindschaft herrschte, suchte er den Frieden. Wo Aussätzige hinter den Rand der Gesellschaft gestoßen wurden, übte er liebevolle Umarmung.
So demütig und klein war er am Ende, dass er darüber groß wurde. Der von ihm gegründete Orden der Minderen Brüder, der Franziskanerorden, ist heute die größten Ordensgemeinschaft der Welt.
Im frühen 13. Jahrhundert zog sich Franz regelmäßig in eine Grotte am Monte Subasio in Umbrien an den Hängen einer steilen Waldschlucht zum Gebet zurück, um in der Stille seinem Gott zu begegnen.
Heute befindet sich dort das noch immer von Mönchen bewohnte, malerische Eremo delle Carceri. Was für ein wohltuender Kontrast zu der hektischen Pilger-Betriebsamkeit in Assisi, wenige Kilometer die Serpentinenstraße hangabwärts.
Enge Stufen führen den Besucher steil durch die Einsiedelei hinunter in die kühle Stille der Felsgrotte. An der Seitenwand findet sich - etwas unscheinbar - ein Bild, das mich bei der Betrachtung an Psalm 131,2 denken ließ:
„Ja, ich ließ meine Seele still und ruhig werden; wie ein kleines Kind bei seiner Mutter, wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.“
Dann stutzte ich. Wanderte nicht da, wie bei einem kleinen Kind, das sich so vollständig und selbstverständlich in den Armen seiner Mutter birgt, ein Däumchen in den Mund? Christus, der kommende Weltenretter, daumenlutschend an Mariens Brust!
Was für ein Urvertrauen strahlt dieses Bild aus. Was für ein starkes Motiv, das ich mich nicht erinnere, anderswo schon so wahrgenommen zu haben. Es ließ auch meine Seele für einen Moment still und ruhig werden. Geborgenheit. Seelenruhe. Was für ein Angebot. Was für ein Gottesgeschenk.
Ihr
Dr. Philipp Hildmann
Kolumne August 2022
Der Adler
„Gott geht mit uns um, wie ein Adler, der seine Jungen fliegen lehrt. Er wirft sie aus dem Nest, begleitet ihren Flug, und wenn sie fallen, ist er da , breitet seine Schwingen unter ihnen aus und fängt sie auf“ 5. Mose, 32.11
Was für ein wunderbares, tröstliches, Mut machendes Bild, das Pfarrer Johannes de Fallois für die Konfirmanden ausgesucht hatte! Fliegen lernen, flügge werden, die Welt erobern! In der Gewissheit, aufgefangen zu werden, wenn man fällt.
Der Adler, der König der Lüfte , der Majestätische!
Was aber, wenn er nicht mehr fliegen kann?
Vor einigen Jahren sah ich in einem Vogelpark an der der Ostsee in einer großen Voliere einen Seeadler, der sich an dem Rotorblatt eines Windrades derart verletzt hatte, dass er nie wieder fliegen wird! „Es ist besser, wir schläfern ihn ein“, sagten die Tierärzte! Der Betreiber des Vogelparks ist ein zäher Mensch, er ging das Wagnis ein und nahm ihn auf!
Da saß er, flügellahm, einsam, hilflos---majestätisch!
Auf die Hilfe des Menschen angewiesen.
Und was, wenn auch Gott flügellahm ist? So kommt er mir manchmal vor:
flügellahm, einsam, ratlos— dennoch allmächtig?
In der Genesis steht: „ Und Gott sah, dass es gut war“!
Gut war! Ist es das noch?
Überall auf der Erde sind Brandherde, tatsächliche und im übertragenen Sinne, Geldgierige, hirnlose Despoten zerstören ohne Rücksicht auf Verluste, unnötige Kriege werden aus Machtgier begonnen, Menschen und Tiere ertrinken einerseits in zu viel Wasser und verhungern an anderer Stelle wegen anhaltender Dürre .Jeder von uns trägt in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass diese Erde sich gravierend verändert!
Wir sehen wunderschöne Bilder von unserem blauen Planeten, aufgenommen von der ISS, wir sehen traumhafte Fotos des neuen Weltraumteleskopes James Webb, das immer weiter in die Vergangenheit hineinschauen kann.
----- Gott wird es nicht abbilden können!
Heißt die Abkehr von den Kirchen auch zwangsläufig Abkehr von Gott?
Manchmal müssen wir Menschen Gott wohl unter die Arme greifen, nicht allmächtig, aber im Kleinen, denn in jedem von uns wohnt Gott, er ist in uns, im Glauben!
Meinem Adler geht es gut. Ich habe damals die Futterpatenschaft für ihn übernommen und besuche ihn jedes Jahr. Als ich ihn zuletzt sah, war er nicht mehr alleine. Ein weiterer Adler, den das gleiche Schicksal ereil hatte, saß neben ihm. Sie scheinen miteinander auszukommen!
Mögen wir unseren Glauben nicht verlieren!
Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Mitglied des KV Starnberg
Kolumne Juli 2022
„Warum missioniert mich keiner?“
Die bayerische Landeskirche hat vier kirchenleitende Organe. Eines davon ist die Landessynode, in der ich unser schönes Dekanat Weilheim vertreten darf. Im Frühjahr und im Herbst treffen die 108 gewählten und berufenen Kirchenparlamentarier jeweils für einige Tage zusammen, um über wichtige Themen von der Gesetzgebung über Finanz- und Stellenplanung bis hin zu Fragen der Ordnung des kirchlichen Lebens zu beraten und zu beschließen.
Steht die Herbstsynode überwiegend im Zeichen des Haushalts, geht es in der Frühjahrssynode stärker auch um inhaltlich-theologische Themen. Und so hatte sich die diesjährige Frühjahrssynode 2022 in Geiselwind das Leitthema gegeben: Wie muss Kirche eigentlich sein, damit Menschen gerne Christ werden und Christ bleiben?
Als Impulsgeber war u.a. der ZEIT-Journalist und bekennende Atheist Alexander Krex eingeladen, der seine Ausführungen unter die provokante Frage gestellt hatte: „Warum missioniert mich keiner?“
Er legt den Finger in die Wunde des „evangelischen Patienten“ unserer Tage. Wollen wir überhaupt, dass die Menschen um uns herum Christen werden? Warum sollen wir das wollen? Um moralisch bessere Menschen zu generieren? Politisch korrekt Engagierte? Aktivisten für grüne Gockel? All das ist wertvoll und richtig. Aber zweitrangig.
Erstrangig ist nach meiner Überzeugung der Kern, um den es unserem „ekklesiastischen Startup“ seit 2000 Jahren geht. Gehen sollte. Gehen muss. Unser zentraler Auftrag ist es – auch in der Kirchengemeinde Starnberg –, Berührung und Begegnung mit Jesus Christus zu ermöglichen. Denn in der Berührung mit ihm werden Menschen gesund. In der Begegnung mit ihm erfahren sie Heil.
Dieser USP („unique saving point“) gibt unserem missionarischen Handeln Sinn und Richtung. Diesen Anspruch sollen, dürfen wir nicht ablegen. Sonst fällt das kirchentragende Kreuz auseinander.
Ihr
Dr. Philipp Hildmann
Kolumne Juni 2022
Meister Eder und seine Gemeindekobolde
Pumuckl hat sich wieder einmal mit dem Schreinermeister Eder gezankt. Voller Zorn hüpft der klei-ne Kobold in der eingelassenen Badewanne oben in der Wohnung auf sein Schiff – ein wackeliges Holzbrettchen. Es kommt, wie es kommen muss: der rothaarige Kobold fällt von Bord und droht zu ertrinken. Meister Eder hört die Hilfeschreie an der Hobelmaschine unten in der Werkstatt nicht.
Auch unser Schiff, das sich Gemeinde nennt, kommt mir aktuell sehr wackelig vor. Ein Fünftel unse-rer Passagiere ist in den letzten Jahren von Bord gegangen. Die Rumpfbesatzung arbeitet am Limit. Ein neuer erster Kapitän steht noch nicht auf der Brücke. Ein kürzender Landesstellenplan-Sturm mit schwächender Langzeitwirkung dräut nachtschwarz am Horizont. Schlotternd klammern sich die letzten Matrosinnen und Matrosen an die morschen Planken. Hört unser Schreinermeister Eder, der Zimmermannssohn Jesus, die Hilfeschreie seiner Gemeindekobolde?
Annegert Fuchshuber (1940-1998) – Sturmstillung
„Der Wind pfiff. Das Segel flatterte. Die Wellen schlugen über Bord. Schon begann sich das Schiff mit Wasser zu füllen. Jesus jedoch schlief ruhig im Heck des Bootes auf einem Kissen.“ So berichtet unsere schön illustrierte Kinderbibel und fährt fort: „Voller Angst weckten ihn einige und sagten: ‚Meister, kümmert es dich nicht, dass wir untergehen?“
Wir wissen alle, wie die Geschichte weitergeht. Jesus wacht auf. Er gebietet den Wellen. Er stillt den Sturm. Das Schiff geht nicht unter. „Warum habt ihr solche Angst?“, fragt der Meister seine schlotternden Jünger, „Habt ihr noch immer kein Vertrauen?“
Im Blick auf unser Starnberger Seeschiffchen möchte ich ihm antworten: Ja, Meister, wir haben Angst. Die Wellen sind hoch. Der Orkan dauert noch an. Die Kräfte sind überschaubar. Aber du hörst uns. Ja, wir vertrauen dir. Du bist wach. Es kümmert dich. Wir kümmern dich. Auch diesen Sturm wirst du stillen. Ja, auch wir werden sagen: „Was ist Jesus für ein Mensch, dass ihm sogar Wind und Wellen gehorchen?“ Und wie der Meister Eder seinen Pumuckl wirst du deine Gemeinde rechtzeitig mit starker Hand aus dem Wasser ziehen – pudelnass, japsend, aber gerettet, versöhnt und lebendig.
Ihr
Dr. Philipp Hildmann
Kolumne Mai 2022
Hoffnung
Man glaubt kaum, wie viele Farbabstufungen die Farbe „Grün“ haben kann! Wenn Sie jetzt in die Natur gehen, entdecken Sie an jeder Ecke neue Nyancen! Der Frühling ist eine Offenbarung!
"Frühling", gemalt von Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Ich erlebe ihn jedes Jahr aufs Neue wie ein Wunder. Die Natur macht uns so deutlich, dass nichts völlig verschwindet, dass immer etwas Neues, Bekanntes oder Anderes entsteht.
Neuanfang—Durchstarten—Wachsen—Gedeihen—der Beginn des Lebens spiegelt sich in der Natur!
Ich könnte in keinem Land leben, in dem die Jahreszeiten nicht offensichtlich sind. Der Wechsel, die Entwicklung, der Aufbruch, das Wachsen und auch das Vergehen--- das ist LEBEN!
Der Volksmund sagt: Grün ist die Hoffnung!
Gerade jetzt brauchen wir genau dies: Hoffnung!
Tauchen Sie ein in die Vielfalt der Farbe „Grün“, schöpfen Sie Kraft und Hoffnung aus der großen Natur, jeden Tag, leben Sie in und mit ihr!
Bleiben Sie behütet.
Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Mitglied des KV Starnberg
Kolumne April 2022
Osterbräuche
Auf der ganzen Welt gibt es Osterbräuche und oft haben Familien noch ihre eigenen Bräuche und Rituale dazu entwickelt. Bei uns wurde z.B. in der Familie immer ein Osterkranz gebacken und mit gefärbten Eiern auf dem Ostertisch dekoriert.
Besonders freue ich mich, seit ich mit meinem Mann in Wangen wohne, auf das gemeinsame Osterfrühstück mit Freunden, ganz ökumenisch! Wenn wir zusammen essen, trinken und singen, teilen wir einen Apfel und ein Ei in so viele Teile, wie Personen am Tisch sitzen. Das soll die Freundschaft auch während des kommenden Jahres erhalten. Je nachdem, wie viele Menschen am Tisch sind, fallen die Stücke auch einmal sehr winzig aus, aber das tut der Freundschaft keinen Abbruch.
Viele der Bräuche sind heidnischen Ursprungs und grenzen an Aberglauben. Doch es ist schön, in Gemeinschaft diese Rituale zu pflegen. Das fängt schon mit dem Binden der Palmbuschen und dem Sammeln der Kräuter für die Grüne Soße am Gründonnerstag an. Und am Karfreitag verschwinden die Glocken, um dann am Ostersonntag wieder kräftig zu läuten und die frohe Botschaft der Auferstehung Christi zu verkünden.
Gerade in der Zeit, in der wir heute leben, bringt eine frohe Botschaft Hoffnung und Fröhlichkeit unter uns. Obwohl wir uns ja gerade jetzt oft fragen: haben wir eigentlich noch etwas zum Lachen?
Aber kennen Sie das Osterlachen? Risus paschalis auf Lateinisch.
Ich kannte es auch nicht. Also zog ich Wikipedia zu Rate und wurde natürlich fündig.
„Osterlachen, auch Ostergelächter genannt, bezeichnet den Brauch, in der Predigt an Ostern die Teilnehmer an einem Gottesdienst durch eine lustige Geschichte oder einen Witz zum Lachen zu bringen. In Bayern war es vom 14. bis 19. Jahrhundert fester Bestandteil des christlichen Brauchtums“.
Grundanliegen des Osterlachens war es, die Osterfreude zum Ausdruck zu bringen und damit den Sieg über den Tod symbolisieren, der sich an Christus verschluckt hat.
In der evangelischen Kirche wird das Osterlachen nicht mehr zelebriert, doch es ist ein guter Gedanke, dass es in der jetzigen Zeit sehr wohl mindestens einen Grund zur Fröhlichkeit gibt!
In diesem Sinne: Frohe Ostern!
Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Mitglied des KV Starnberg
Kolumne März 2022
Rückzugsorte
Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie dem Lärm entfliehen möchten, zur Ruhe kommen und nachdenken möchten?
Vor einigen Jahren habe ich weitgreifende Entscheidungen treffen müssen und dachte: wo kann ich den Überblick besser bekommen als auf der Zugspitze?
Gesagt, getan. An einem normalen Wochentag packte ich meinen Rucksack mit Brotzeit, Getränk und Schreibzeug, nahm Wanderschuhe und Stöcke mit und fuhr mit der ersten Zahnradbahn hinauf. Ich wollte mir ein Plätzchen suchen, an dem ich in Ruhe nachdenken konnte. 10 Jahre zuvor war dies eine sehr gute Idee.
Nicht aber jetzt! Als ich aus der Bahn stieg, schallte mir grauenvoll laute Musik (eher Lärm) entgegen, das Plateau war bereits voller Menschen und auf dem Weg zum Gipfel strebte eine Menschenkette wie die Ameisen dem Gipfel entgegen. Weit und breit kein ruhiges Fleckchen.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und nahm die nächste Gondel nach unten.
Vielleicht mache ich noch eine Runde um den Eibsee? , dachte ich. Mitnichten, auch dort wanden sich Menschenmengen.
Unverrichteter Dinge fuhr ich wieder nach Hause, setzte mich auf die Terrasse in meinen Strandkorb (mein Meer in Bayern), mit der Erkenntnis: auch hier komme ich zur Ruhe, kann nachdenken! Und Entscheidungen fällen!
Rückzugsorte finden sich überall, auch ganz in der Nähe. Man muss nicht auf den Berg oder in die Wüste gehen, um alleine zu sein und denken zu können!
Der Wald, ein ruhiger Raum, der Blick auf das Meer, ein Kirchenschiff, natürlich die Berge auch aus der Ferne, das Insichversenken, die Meditation, das Gebet!
All das und mehr hilft uns, den Lärm und die Ablenkung für kurze Zeit auszuschalten, um wieder zur Besinnung zu kommen, Kraft zu schöpfen, den Kopf frei zu machen, klarer zu denken und zu fühlen, die Perspektive zu wechseln, eine andere Sichtweise einzunehmen.
Gerade jetzt, zu einem Zeitpunkt, an dem unser gewohntes Sicherheitsgefühl durch einen unsinnigen Krieg völlig auf den Kopf gestellt wird, ist es wichtig, klaren Kopf zu behalten und das Gottvertrauen nicht zu verlieren.
Mein liebster Rückzugsort liegt an der Ostsee, an der Steilküste bei Travemünde (Foto).
Schauen Sie gerne auf das Foto und schöpfen Sie Kraft und Hoffnung!
Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Mitglied des KV Starnberg
Kolumne Februar 2022
Februar
Monat des wiederkehrenden Lichtes und des Wandels
Obwohl der Frühling offiziell bei uns erst am 20.03. in jedem Jahr beginnt, gilt doch der Februar als letzter Wintermonat.
Die Tage werden bereits spürbar länger, wenn dazu noch Schnee liegt bemerken wir die Helligkeit ganz besonders.
Nicht umsonst wird in der keltischen Mythologie am 2.2.eines jeden Jahres „Imbolc“ gefeiert, das der keltischen Göttin Bridget geweihte Fest der Wiederkehr des Lichtes. Der Name „Imbolc“ heißt so viel wie „Rundumwaschung“. Es ist ein Reinigungsritual, mit dem die Frühlingsgöttin die Wintergöttinnen ablöst und das Leben neu erwacht. Bridget war die Göttin des Feuers, die einen Lichtstrahl mit sich trug, der im übertragenen Sinne für das Erwachen der Lebensfreude und der Erotik steht. Daher kommt wohl auch der Ausdruck: Frühlingsgefühle!
Mit Bridget steigen in der keltischen Mythologie im wiedererwachten Licht elementare mythische Wesen vom Himmel herab, wie z.B. der Bär. Die Zeit dieser Göttin, die bis zum 1.Mai dauert, steht im keltischen Kalender für den Lebensabschnitt der Kindheit und wird durch das spielerische, phantasievolle und kraftvolle Wachsen der gesamten Natur gekennzeichnet.
Symbolisch findet sich diese Mythologie auch in Märchen wieder, sehr deutlich z.B. in „Schneeweisschen und Rosenrot“. Die beiden Mädchen stehen mit ihren Namen für die Verwandlung des schneereichen Winters in die warme Jahreszeit der Rosen. Der Bär, in der keltischen Mythologie ja der Begleiter Bridgets, ist im Märchen ein verwandelter Prinz, durch den die kindlichen Mädchen zu jungen Frauen erwachen.
Christlich umgewandelt wurde aus dem Fest der Bridget „Maria Lichtmess“, die Feier der Reinigung der Maria nach der Geburt Christi. Genau 40 Tage nach der Geburt eines Jungen, sollte laut alttestamentarischer Überlieferung, dieser im Tempel vorgestellt werden. Gleichzeitig mussten sich ihre Mütter einer rituellen Reinigung unterziehen, um wieder „rein“ zu sein. Der Zeitabstand zwischen Weihnachten und „Imbroc“ passt genau.
Bis heute halten sich zudem die Riten der Lichtweihe im Brauchtum nahezu europaweit. In manchen Ländern und Gemeinden werden frische Kerzen geweiht, um das Feuer neu zu entfachen. Symbolisch wird der Weihnachtsbaum vor allem in Süddeutschland oft erst an diesem Tag entsorgt.
Altem Brauchtum zufolge war Lichtmess bis ins 20. Jahrhundert der offizielle Beginn des Bauernjahres. Die Dienstboten und Knechte wurden ausbezahlt und mussten sich eine neue Arbeitsstelle suchen.
Viel Bedeutung kommt dem Februar zu, mehr als man meinen möchte.
Möge dieser Monat uns die Augen öffnen für das Neue, das Wandelbare, das Licht und die Menschenliebe.
Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Mitglied des KV Starnberg
Kolumne Januar 2022
Luther und die Gummibärchen
Kennt jemand noch das „Tagebuch eines frommen Chaoten“? Anfang der 1990er-Jahre war das der Bestseller unter den Jugendlichen unserer kleinen fränkischen Kirchengemeinde. Der Brite Adrian Plass nahm darin heiter-ironisch seine evangelikal angehauchten Mitchristen aufs Korn. Da wir mit Jugend- und Lobpreisgottesdiensten, Hauskreisen und Bibelfreizeiten seinerzeit ganz ähnlich unterwegs waren, fühlten wir uns nicht selten selber ertappt – konnten aber meist herzlich über uns selber lachen.
Eine Eigenschaft des frommen Chaoten ist mir bis heute gut in Erinnerung geblieben: Er maß die Sonntagspredigten, die er in seiner Gemeinde hörte, in Gummibärchen. Genauer: in der Anzahl, der von ihm während der Predigt gegessenen Gummibärchen. Ein ähnliches Verhalten legten übrigens unsere Kinder in ihren früheren Tagen in der Friedenskirche an den Tag. Allerdings aus etwas irdischeren Gründen.
Der Zusammenhang von Süßem und Theologischem hat dabei einen durchaus historischen Hintergrund. Im Judentum wird das Erlernen der Buchstaben schon früh von einer süßen Tradition begleitet. Der Lehrer schreibt auf einer Schiefertafel die ersten und die letzten Buchstaben des Alphabets. Die ersten vier Buchstaben vorwärts, die letzten vier rückwärts. Er liest sie vor. Der Schüler spricht sie nach. Dann bestreicht der Lehrer die Schreibtafel mit etwas Honig, und der Schüler darf diesen von den Buchstaben lecken. So lernt er das Alphabet von vorne und von hinten. Das Erlernen der Buchstaben ist der verheißungsvolle und süße Weg hin zum Erlernen der Heiligen Schrift – und so der Weg zu Gott.
Für Martin Luther bildete die Auslegung der Heiligen Schrift bekanntlich das Zentrum des Gottesdienstes. „Der Prediger, oder welchem es befohlen wird“, so schreibt er in seiner Schrift Von der Ordnung des Gottesdienstes von 1523, soll „herfur treten, und dieselb Lection ein Stuck auslegen, daß die Andern alle verstehen, lernen und ermahnet werden.“ So gilt es bei uns Lutheranerinnen und Lutheranern im Kern bis heute. Auch in unserer Friedenskirche.
Im Alten Testament findet sich dazu ein schönes Bild für den Zusammenhang von Süßem und Theologischem beim Propheten Hesekiel, dem von Gott bei seiner Berufung in einer Vision eine Schriftrolle gereicht wird. Und Gott sprach zu ihm: „Iss diese Schriftrolle und geh hin und rede zum Hause Israel! Da tat ich meinen Mund auf und er gab mir die Rolle zu essen und sprach zu mir: Du Menschenkind, gib deinem Bauch zu essen und fülle dein Inneres mit dieser Schriftrolle, die ich dir gebe. Da aß ich sie, und sie war in meinem Munde so süß wie Honig.“
Vielleicht war sie auch so süß, wie die Gummibärchen von Adrian Plass. Wie auch immer – aus der Süße erwächst für Hesekiel, Adrian und auch für uns eine Verantwortung. Ein Auftrag. „Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein“, wie es im Jakobusbrief heißt. Nehmen wir ihn mit, diesen süßen Auftrag. Aus dem Gottesdienst. Aus der Predigt. In unseren Alltag hinein. Mit oder ohne Gummibärchen.
Ihr
Dr. Philipp Hildmann